Corona #6

Veröffentlicht am 27. November 2020 um 10:14

Nichts Halbes und nichts Ganzes. - Auf diese bekannte Formel für Unschlüssiges und Nicht-Durchdachtes lassen sich die jüngsten Beschlüsse der "Runde der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin" vom vergangenen Mittwoch bringen. Acht Stunden Verhandlungen und das Ergebnis ist ein Proporz aus Kleinmütigem. Bis zum 20. Dezember ist der "Lockdown light" verlängert mit der Folge von Resultaten light. Im Wesentlichen bleibt alles wie es ist. Damit bleibt allerdings auch die jetzige Seitwärtsbewegung. Zwar konnte mit den Maßnahmen vom 02. November der exponentielle Anstieg der Infektionszahlen abgebremst werden, doch ist ein Niveau verblieben, welches schwere Verläufe und damit den Anstieg auf den Intensivstationen kontinuierlich macht. - Die Fallzahlen sind mit mehr als 20.000 Neuinfektionen deutlich zu hoch. Auffällig ist auch der deutliche Anstieg an Todesfällen in den letzten Tagen. - 

Dieser Anstieg ist das Ergebnis eines erhöhten Infektionsgeschehens in den Alten- und Pflegeheimen. Die Versorgung mit ffp2-Masken und Schnelltests läuft viel zu schleppend; der besondere Schutz dieser "vulnerablen" Gruppen geschieht nur halbherzig. Viele Monate sind tatenlos versäumt worden in der Hoffnung, eine zweite Welle möge flacher sein als die erste oder gar ganz ausbleiben. 

Der Gipfel der Unvernunft sind die Regelungen zu Weihnachten und Silvester. Personen aus bis zu zehn Haushalten (Kinder bis 14 nicht eingerechnet) dürfen sich treffen. Vor den Folgen dieser Lockerung warnen bereits jetzt Virologen und Epidemiologen. Den Preis für diese Unvernunft werden im Januar die Älteren bezahlen und die Ärzte und Pflegekräfte, die dann diese Menschen medizinisch versorgen müssen. 

Daß die Schulferien ein paar Tage eher beginnen, soll dazu führen, daß die Kinder vor den weihnachtlichen Familienzusammenkünften eine Art freiwilliger Quarantäne absolvieren. Eher wird es dazu führen, daß sich Kinder und Jugendliche mit ihrer Clique treffen. Es handelt sich um eine Maßnahme, die sich schnell als kontraproduktiv erweisen könnte.

Deutschland sei bislang recht gut durch die Corona-Pandemie gekommen, hörte man noch im September. Schaut man auf die Entwicklung im März und April, stimmt dies auch. Doch inzwischen zeigt sich immer mehr, daß es an einer langfristigen und konsequenten Strategie fehlt. Man schiebt die Dinge vor sich her. Besser wäre ein harter Lockdown gewesen, der dann vergleichsweise kurz hätte ausfallen können. Sicher, am Ende sind es die Menschen selbst, die durch vernünftiges und umsichtiges Verhalten das Geschehen in der Hand haben. Doch wenn schon die Regierung es aus Angst vor der Wahrheit an Umsicht und Mut fehlen läßt, darf man sich nicht wundern, wenn die Zustimmung zu ihren Beschlüssen sinkt. Die Politik verspielt durch ihre Unschlüssigkeit das Vertrauen der Bürger. Sie setzt auf die Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems. Doch wird diese Leistungsfähigkeit im Januar an ihre Grenzen kommen. Dann werden härtere Maßnahmen notwendig werden, auf die sich die "Runde mit der Kanzlerin" am Mittwoch nicht einigen konnte. So bleibt es bei: Nichts Halbes und nichts Ganzes. - Daß der natürliche Lebensraum der Vernunft in den Gremien der Politik zu verorten sei, ist eine naive Vorstellung; realistischerweise geht man jetzt wohl von einer "Vernunft light" aus.

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