Der "Neue Realismus"

Das Attribut des Neuen ist in der Werbeindustrie eine unverwüstliche Größe. "Jetzt neu mit xy" zieht immer. Auch die Philosophie ist für solche Offerten empfänglich. Die Neue Phänomenologie, die Neue Kritische Theorie, der Neukantianismus und nun der Neue Realismus. Was folgt ihm? Der Neue Konstruktivismus? - Dabei ist unter dem alten Label des Neuen die Anschlußbereitschaft an Altes nichts Neues. Neu am Neuen Realismus - und wer möchte schon kein Realist sein - ist seine Diffundierung in die Umwelt des philosophischen Betriebs, die Feuilletons, die Kultursendungen, in die sozialen Medien. So formiert sich der Neue Realismus zu einer Bewegung, deren Protagonisten mit Sendezeit im heute journal versorgt werden, denn er verfügt über die Kompatibilität zu jener kindlichen Unschuld, in die sich der Zeitgeist alle elf Minuten neu verliebt. Auf den Podien der Weltpolitik halten Kinder ihren Eltern Standpauken über politische Dringlichkeiten und über das, was jetzt realistischerweise zu tun ist, garniert mit Publikumsbeschimpfungen - die Oma als "Umweltsau" - und Wutausbrüchen. Stimmungen dieser Art ermöglichen es dem Neuen Realismus, das akademische Korsett feinsinniger Konversation gegen eine Fünf-vor-Zwölf-Rhetorik auszutauschen. Die Energiezufuhr für die eigene historische Bedeutsamkeit läuft dabei über einen vergleichsweise alten Mechanismus: Feinde und Bedrohungsszenarien müssen zu einer Größenordnung stilisiert werden, welche das Eintreten für das Gute als das absolut Dringliche und Gebotene erscheinen läßt. Wer sich jetzt noch widersetzt und Uneinsichtigkeit zeigt, wird ins Visier genommen. Breaking News: Es gibt eine Realität und es gibt sie sogar noch dann, wenn man sich nicht für möglich hält. 

Zum Gründungsmythos des Neuen Realismus gehört die Wiederentdeckung des gesunden Menschenverstandes. Gegen die Dummköpfe der Postmoderne wird er in Stellung gebracht. Der Schöpfungsbericht generiert hier ein hochkarätiges Stück Arbeit am Mythos. "Der Neue Realismus ist vielleicht die einzige philosophische Debatte, über deren Taufe man sozusagen genau Bescheid weiß: Sie fand statt am 23. Juni 2011 um 13.30 Uhr im Restaurant Al Vinaciolo, Via Gennaro Serra 29 in Neapel." (Mario Ferraris; Manifest des Neuen Realismus; S. 52) - Donnerlittchen! In sechs Monaten jährt sich die Urszene zum zehnten Mal. 

Felix Heidenreich hat in einem Aufsatz in der Philosophischen Rundschau (Nr. 62/2015) den Versuch unternommen, die "werbenden Anteile" von den "philosophischen Argumenten" dieser neuen Strömung in der Philosophie zu trennen. Dabei ist er u.a. zu dem Ergebnis gekommen, daß die auf Politik abzielende Intention des Neuen Realismus von der binären Logik wahr/falsch angetrieben wird. "Die demokratietheoretische Implikation des Neuen Realismus (die allein die Schärfe der Auseinandersetzung rechtfertigt) lautet folglich, daß Demokratie ohne Wahrheitsanspruch scheitert, weil maßlose Skepsis die politische Kultur untergräbt." (a.a.O; S. 227) - Die Krise der westlichen Kultur hat namentlich benennbare Urheber. So soll Lyotards These vom Ende der großen Erzählungen 1979 eine "Pandemie" (Ferraris; a.a.O.; S. 15) ausgelöst haben. Mit Recht nennt Heidenreich eine solche Gegenwartsdiagnose "schlicht grotesk". - "Jede Meinung kann heute online publiziert werden. (...) Ist nicht gerade die Debatte über die Qualität des Journalismus ein Indiz dafür, daß die Leitunterscheidung von Sein und Schein, die Ferraris für verabschiedet hält, im Alltag so gebräuchlich ist wie eh und je?" (Heidenreich; a.a. O.; S. 228) - Lyotard, Foucault, Derrida, Rorty - der Furor der Gegnerschaft trägt längst Züge der alten Feind/Freund-Unterscheidung von Carl Schmitt. 

"Die triviale deskriptive Beobachtung, daß soziale Normen historisch und kulturell kontextgebunden sind, wird zu der Behauptung verbogen, alles sei erlaubt. Und als Widerlegung dieses moralischen Nihilismus werden in der Regel gefolterte Babys angeführt. Das kann man doch nicht wollen!" (Heidenreich; a.a.O.; S. 229) - An die Stelle der gefolterten Babys treten wahlweise gequälte Menschen oder der Holocaust. - "Als Gesamtbild hat diese Form des Manifests die Anmutung eines Ballerspiels: Hier werden Pappkameraden aufgebaut und dann mit viel Lärm weggeschossen." (Heidenreich; a.a.O.; S. 230)

"Immer wieder wird ins Feld geführt, der Konstruktivismus behaupte, daß es ˋdie Außenwelt nicht gibt´." (Heidenreich; a.a.O.; S. 230) - Es gehört zu den Lächerlichkeiten des Neuen Realismus, daß er unter Konstruktion Schaffung versteht, aber nicht Aufbau. Ein Blick in die Kritik der reinen Vernunft könnte den Vertretern des Neuen Realismus hier weiterhelfen. Doch wird Kant gern als "als Trottel vorgeführt, der eine Pipi-Langstrumpf-Ontologie vertreten (...) habe." (Heidenreich; a.a.O.; S. 230) -

Heidenreich verweist weiterhin auf die "Eigenlogik populistischer Rhetorik": "Denn die empirischen Untersuchungen der Politikwissenschaft zeigen, daß gerade der Topos einer ˋrealistischen Sicht der Dinge´, eines ˋAussprechends unbestreitbarer aber unterdrückter Wahrheiten´, einer ˋEhrlichkeit´ darüber, wie es ˋmit der Einwanderung wirklich steht´, zum festen Arsenal der Populisten gehören." (a.a.O.; S. 231) - Der Neue Realismus ist der perfekte Zuschnitt auf die Rhetorik des rechten Populismus. Die These von der Angst vor der Wahrheit (Paul Boghossian) arbeit dem Werbeslogan Mut zur Wahrheit  (AfD) mehr zu als ihm lieb sein kann. - 

Tartüfferie

Daß die Moral ihre eigene Geschichtlichkeit hat, ist eine der Erkenntnisse Nietzsches, die er in der Genealogie der Moral entfaltet hat. In der neueren Philosophie sind es vor allem Foucault und Agamben, die an Nietzsche anschließen. Bei Foucault verschränken sich Macht und Moral: "Wenn ich anspruchsvoll wäre, würde ich das, was ich mache, unter den Titel ˋGenealogie der Moral´ stellen." (Michel Foucault; Mikrophysik der Macht; S. 46) - Agamben wiederum greift das Foucault´sche Konzept der Biopolitik auf und führt den homo sacer ein. Die Moral bewirtschaftet die Konkursmasse der Religion. Ein Diskurs über die Moral ist vordergründig und unvollständig, wenn er ihre Geschichtlichkeit (dafür stehen Nietzsche, Foucault, Agamben u.a.) leugnet. Aus Moral wird Moralismus, mithin jene Tartüfferie als die Nietzsche die Moral bezeichnet. Wird dieser Aspekt der Moral ausgeblendet, etabliert sich die Cordicokratie Murays: 

"Die obskure Tyrannei der Cordicolen gründet auf der Hypothese eines unendlichen, endgültig akzeptierten und endgültig unsichtbaren Herdendaseins. Alles Denken, das heldenhaft genug ist zu versuchen, sich auf der Bühne von Cordicopolis einen Namen zu machen, steht a priori bei der Gemeinschaft in der Schuld. Letztere hat das Recht, von demjenigen, der sich zu einer Meinungsäußerung anschickt, Rechenschaft zu fordern. Und umgekehrt merkt dieser gleichzeitig, daß er weniger denn je das Recht hat, ˋalles zu sagen´, weil über seinem Kopf wie riesige Spionage-Luftschiffe das Gemeinwohl und die öffentliche Meinung schweben, mit denen er vermeintlich für alle Ewigkeit einen eisernen Pakt, ein Blutsbündnis geschlossen hat." (Philippe Muray; Das Reich des Guten; S. 98) - 

Cordicokratie bleibt angewiesen auf Strategien der Invisibilisierung, im Grunde also auf einen antiphilosophischen Impuls. Auf den Punkt gebracht hat das Louis-Ferdinand Celine: "Über Moral zu reden, verpflichtet zu nichts! Das verschafft einem Ansehen, verbirgt einen." (Mea Culpa; S. 13) -

Puritanische Arroganz 

Als Fahnenflucht gilt heute die Verweigerung der cordicolischen Unterwerfung. Jeder ist vereidigt auf das moralisch Gute in seinen diversen Ausprägungen. Der Kalauer des Cordischen Knotens kommt einem in den Sinn angesichts der Verzuckerungen vermeintlicher moralischer Fortschritte jener cordicophilen Orgien, in denen das Gute als das neue Herz Jesu gefeiert wird. Die jesuitische Vereinigung, die man im 17. Jahrhundert Cordicolae nannte erlebt ihre säkulare Resurrection in allem, was zu Herzen geht. - In Ecce homo schreibt Nietzsche an einer Stelle: 

"Die Nothstände aller Art überhaupt als Einwand, als Etwas, was man abschaffen muß, betrachten, ist die niaiserie par excellence, ins Große gerechnet, ein wahres Unheil in seinen Folgen, ein Schicksal von Dummheit - , beinahe  so dumm, als es der Wille wäre, das schlechte Wetter abzuschaffen - aus Mitleiden etwa mit den armen Leuten." (Friedrich Nietzsche; Kritische Studienausgabe Bd. 6; S. 368) 

Man möchte hinzufügen, daß sich eher noch das schlechte Wetter abschaffen ließe als die idyllische Vorstellung, das Gute sei ohne das Böse zu haben. Es ist dieses Viktorianisch-Populistische, in dem sich der Stolz auf das Erbe der Civitas Dei des Augustinus zeigt, einer einheitlichen geistigen Gemeinschaft, in der Abweichung nicht mehr geduldet wird. - 

Cordicopolis - ein Stadtportrait

Es ist die Polis des rosaroten Albtraums, die der französische Philosoph Philippe Muray in seinem Essay Das Reich des Guten skizziert. Das Gute beherrscht alle gesellschaftlichen Diskurse, ist omnipräsent und ubiquitär, der moralische Fortschritt ist an sein Ende gekommen, das Reich des Guten ist errichtet, ein Deja-Pense der morale definitive Descartes´. - In Cordicopolis haben die Missionare des Guten den Neokonformismus ihrer farbstoffarmen Weltanschauung zur Leitkultur erhoben, die Medien sind gleichgeschaltet, eingeschworen von der Telefatwa der Ausmerzung alles Abweichenden, aller Zweifler. Im finalen Stadium des moralischen Fortschritts herrscht humanitäre Einmischungspflicht, die Welt hat ihr Greisenalter erreicht. Wer sich dem Guten nicht unterwirft, wird aufgespürt anhand von Finger- und neuerdings Fußabdrücken. 

Das Reich des Guten ist keine Streitschrift, die sein Verfasser etwa in Zeiten der Corona-Pandemie geschrieben hätte. Zwar ist die deutsche Übersetzung erst kürzlich erschienen, doch stammt der französische Originaltext aus dem Jahr 1991 und beschreibt eine Dystopie westlicher Gesellschaft, die Muray heraufdämmern sieht: Puritanismus und Bigotterie, Moralismus und Legalismus. In der Philosophie im Boudoir läßt de Sade den Libertin Dolmance sagen: "Denn die Gesetze, die für die Gesellschaft gewinnbringend sind, sind für den Einzelnen [...] äußerst schädlich." - Das Gute wollen, heißt den Staat wollen als Garanten für seine Durchsetzung. Verordnungen sollen dem Ordnungsschwund entgegenwirken. Der normierte Mensch soll, wenn schon nicht untertänig, dann wenigstens untertätig sein, alleweil im Dienst am Guten. 

Murays Essay ist eine frappante Beschreibung einer gesellschaftlichen Atmosphäre, die dreißig Jahre nach Erscheinen des Buches immer mehr Kontur gewinnt. - "Nichts ist so amüsant", heißt es bei de Sade, "wie die Vielfalt der Gesetze, die der Mensch sich jeden Tag zum Glücklichsein schafft, während ihm doch jedes einzelne dieser Gesetze im Gegenteil einen Teil seines Glückes nimmt." - Cordicopolis wächst. 

Schule der Folgenlosigkeit

Von der Philosophie heißt es manchmal, sie habe sich ein naives Fragen bewahrt. Diese Naivität ist eine künstliche, das heißt, sie ist eine Frage- und Denkhaltung, in die hineinzugelangen sich der Philosophierende zu bemühen hat, ein methodischer Schritt wie ihn etwa die Phänomenologie Husserls kennt. Das ist nicht zu verwechseln mit der Anweisung aus der Feuerzangenbowle "da stelle ma uns mal janz dumm". Dieses Motto hat hingegen die Initiatoren der Schule der Folgenlosigkeit zu einem philosophisch-künstlerischen Projekt beflügelt und man hat den Eindruck, daß es einer besonderen Begabung zur Dummheit, zu verdanken ist, die die Schule der Folgenlosigkeit ermöglicht hat. 

Das "künstlerisch-diskursive" Projekt des Designtheoretikers und Architekten Friedrich von Borries ist angesiedelt im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Worum geht es? 

"Wie sähe ein Leben aus, das – im ökologischen, aber auch im virologischen Sinne – möglichst folgenlos bleibt? Könnte Folgenlosigkeit ein neues regulatives Ideal werden, wie Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit, unerreichbar, aber dennoch erstrebenswert? Welche Auswirkungen hätte ein solches Streben auf die materielle und immaterielle Gestaltung unseres Alltags, auf die Wirtschafts- und Sozialordnung, auf unseren Glauben und die Art, wie wir miteinander umgehen? Und welche Vorbilder lassen sich für ein solches Leben in Gegenwart und Geschichte finden?" (https://www.hfbk-hamburg.de/de/projekte/schule-der-folgenlosigkeit/

Es sollen die "vermeintlich allgemeingültigen Vorstellungen eines 'richtigen Lebens' hinterfragt werden". - So trägt denn auch die Schule der Folgenlosigkeit den folgenlosen Untertitel Übungen für ein anderes Leben. Hauptsache: anders. Drei "Stipendien fürs Nichtstun" - dotiert mit jeweils 1.600 € - werden ausgeschrieben. Unter dem Namen Schule der Folgenlosigkeit können ambitionierte Nichtstuer eine App herunterladen, mit deren Hilfe sie sich im Nichtstun virtuell erproben und weiterbilden können. Zur Belohnung winken Punkte, die verspielt, wer doch etwas tut. 

Bevor der stipendiate Nichtstuer nichts tut, muß er jedoch etwas tun; er hat nämlich im Bewerbungsformular die Fragen zu beantworten: (1) Was wollen Sie nicht tun? (2) Wie lange wollen Sie es nicht tun? (3) Warum ist es wichtig, genau das nicht zu tun? (4) Warum sind Sie der*die Richtige, das nicht zu tun? 

Nun ist es nicht so, daß es keine öffentlichen Personen in Politik, Kultur und Wissenschaft gäbe, von denen man sich wünschte, sie täten das, was sie tun, nicht. Doch welches Maß an Einfalt war notwendig, um den Zeitgenossen eine Schule des Nichtstuns anzuempfehlen? - Nichtstun für Nichtsnutze, eine Idee, die Flaubert in Bouvard et Pécuchet untergebracht hätte.

 

Die Moral von der Geschicht'

Die Moral ist eine willige Nebengängerin. Ihre Einwilligung für jedwede Vision, jedwede Politik, jedwedes Projekt ist ein stummes Ja-Wort zu ihrer Verwendung. 

"Indem die Regierung entschlossen ist, die politische und moralische Entgiftung unseres öffentlichen Lebens durchzuführen, schafft und siegelt sie die Voraussetzungen für ein wirklich tief inneres religiöses Leben."

Das stammt nicht etwa aus dem Redemanuskript Helmut Kohls zur "geistig-moralischen Wende" von 1982 oder aus der Rede eines erzkonservativen geistlichen Würdenträgers, sondern es wurde am 23. März 1933 im Deutschen Reichstag gesagt, vom neuen Reichskanzler Adolf Hitler. 

Die Moral zu umwerben kostet wenig Aufwand. Moralisch richtig liege im Zweifelsfall immer ich. Ich vertrete die Sache des Guten und der Guten. Schuld ist immer der, welcher sich mit dieser Sache nicht bedingungslos gemein machen will. Sein Zögern macht ihn zum Gegner, der widerspricht und schließlich zum Feind, der bekämpft werden muß. Diese Entwicklung erschwert die für politische Entscheidungsprozesse notwendige Konsensfindung. Der scheidende Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert beklagt in seiner Abschiedsrede das Kanzlerinnen-Diktum von der "Alternativlosigkeit". Zum Wesen des Politischen gehört, daß es andere Möglichkeiten gibt, ob in der Sozialpolitik, in der Umweltpolitik oder bei der Eindämmung der Corona-Pandemie. Wo nur noch Regierungspolitik zulässig ist, weil ihre Kritik als Moralverstoß gewertet wird, entstehen jene Blasen und Echokammern, deren Debatten sich nach dem Muster gedanklicher Binärsysteme ausrichten. Null und Eins. Weiß und schwarz. -  Ein Beispiel: "Man kann mit Weißen nicht über Hautfarbe diskutieren." - Das ist das Ende der Diskussion, bevor sie überhaupt begonnen hat. 

Die Moral von der Geschicht' ist der bekannte Satz von Max Frisch: "Es sind immer die Moralisten, die das meiste Unheil anrichten." 

 

Der Fall S. Fischer

Und warum nicht der Fall Monika Maron? - Zur Vorgeschichte: Monika Maron hat in der Reihe Exil der Edition Buchhaus Loschwitz einen Band mit Essays (Krumme Gestalten, vom Wind gebissen) veröffentlicht. Daraufhin hat ihr Hausverlag S. Fischer im Oktober die Zusammenarbeit mit der Autorin aufgekündigt. Begründung: Exil wird u.a. auch vom Antaios-Verlag Götz Kubitscheks vertrieben. Kubitschek ist bekanntlich Mitbegründer der neurechten Denkfabrik Institut für Staatspolitik in Schnellroda, das vom Verfassungsschutz als "Verdachtsfall" eingestuft wird. - Die Edition Buchhaus Loschwitz wiederum ist der Verlag von Susanne Dagen, Buchhändlerin, Verlegerin, Kommunalpolitikerin der Freien Wähler in Dresden und enge Vertraute und langjährige Freundin von Monika Maron. Susanne Dagen betreibt gemeinsam mit der Publizistin Ellen Kositza auf YouTube ein Format mit dem Titel Aufgeblättert. Zugeschlagen - Mit Rechten lesen. Gegenüber der Sächsischen Zeitung sagt Susanne Dagen über ihren YouTube-Kanal freimütig: "Da sitzen zwei rechte Tanten mit einem Gast und reden über Bücher". Ellen Kositza ist die Ehefrau von Götz Kubitschek und gilt als die Frontfrau der Neuen Rechten. - Siv Bublitz, die Verlegerische Geschäftsführerin der S. Fischer Verlage gibt als Begründung für den Rauswurf Monika Marons an: "Man kann nicht bei S. Fischer und gleichzeitig im Buchhaus Loschwitz publizieren." - 

Monika Maron stellt ihre Bücher seit zwanzig Jahren in Dagens Buchhandlung vor; sie nennt sie eine "alte Freundin". Gemeinsam mit Michael Bormann, ihrem Lebenspartner betreibt Susanne Dagen das "BuchHaus" in Dresden-Loschwitz. 2015 und 2016 gewannen sie den Deutschen Buchhandlungspreis in der Kategorie "Besonders herausragende Buchhandlungen". Dagen saß ab 2018 im Kuratorium der AfD-nahen "Desiderius-Erasmus-Stiftung". Dem Magazin Compact gab sie ein Interview. Ellen Kositza schrieb für die Junge Freiheit und ist Redakteurin der Zeitschrift Sezession. - Susanne Dagen und Ellen Kositza, zwei rechte Tanten. So kann man es sagen. -

Und was hat Monika Maron mit all dem zu tun? - Nichts. Sie ist mit Susanne Dagen befreundet. Einen Essayband hat sie im Verlag ihrer Freundin publiziert. Das verstößt gegen keinen Vertrag mit S. Fischer. Doch es verstößt gegen die Gesinnung, die S. Fischer offensichtlich von seinen Autorinnen und Autoren erwartet. Monika Maron, eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen der Gegenwart, deren literarischer Rang unbestritten ist, wird von ihrem Hausverlag, der ihr Werk seit vier Jahrzehnten betreut, als Verdachtsfall eingestuft. Am Montag wurde bekannt, daß Monika Maron mit Hoffmann & Campe einen neuen Verlag gefunden hat. Dem früheren Verlag des jüdischen Republikaners Heinrich Heine kann man zu seiner neuen Autorin gratulieren. Die Jüdische Allgemeine titelt denn auch am 29. Oktober zu recht: "Ein Verlag trennt sich wegen derˋfalschen Gesinnung´ von seiner Autorin. Das sollte in einer Demokratie nicht passieren". - Deswegen ist der Fall Monika Maron der Fall S. Fischer. -

"Tutto nel mondo e burla, l´uom e nato burlone."

Was Verdi die Akteure in der großen Schlußfuge seines Falstaff singen läßt, ist die Raison d´etre der Welt der Oper, der Opera buffa ebenso wie der Opera seria gleichermaßen. Mozart hat die Wirklichkeit der Oper auf den Satz gebracht: "Bei einer Opera muß schlechterdings die Poesie der Musick gehorsame Tochter seyn." Seinen Librettisten und Zechkumpanen Schikaneder hat das nicht gestört. Für die Welt der Oper gilt: Die ihr hier eintretet, lasset allen Dünkel fahren! Für die Musik steht die Poesie hier im Verhältnis der Dienstbarkeit. Für den Bedeutungsgehalt einer Oper ist das Libretto oft Produkt einer poetischen Zulieferindustrie. Lorenzo Da Ponte, Pietro Metastasio, Emanuel Schikaneder ... sind nicht durch ihre Poesie bekannt geworden, anders als beispielsweise Hugo von Hofmannsthal, der einige Libretti für Richard Strauss schrieb. Doppelbegabungen wie Wagner, Lortzing oder Pfitzner verfaßten ihre Libretti selbst. Natürlich gehört die Aufführung von Opern ins Repertoire jeder Kulturnation, die Aufführungspraxis jedoch nimmt oft burleske Formen an, etwa da, wo ein Regisseur sie in einem Steinbruch spielen läßt. Für die bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts war die Oper gesellschaftlicher Treffpunkt. Diese Welt ist untergegangen, auch wenn es die Oper noch gibt, gar subventioniert wird. Wir leisten uns die Oper. Deshalb darf sich die Oper auch einiges leisten. -