Corona #18

Veröffentlicht am 29. März 2021 um 04:44

Das Krisenmanagement in der Corona-Pandemie habe ich in den letzten Wochen an dieser Stelle unkommentiert gelassen. Es wäre auf Wiederholungen hinausgelaufen. - Nun erschien am vergangenen Donnerstag in der Welt und in Der Freitag ein "Manifest der offenen Gesellschaft", das seitdem in den Feuilletons von sich reden macht. Mitinitiator und Mitunterzeichner dieses Manifests ist Markus Gabriel, der im Interview mit dem rbb dieses zu Protokoll gibt: 

 

Wie sehen Sie dieses Fehlereingeständnis der Bundeskanzlerin, Ausdruck einer offenen Fehlerkultur, die wir in Deutschland dringend brauchen?

Markus Gabriel:

"Nun, da darauf ja sofort folgte eine weitere absurde Runde Mallorca-Urlaubs-Verbotsdiskussion, sehe ich dieses Fehler-Eingeständnis als ein halbherziges und genau genommen rein strategisches, also kurzum als politische Lüge an."

Wer kann denn nicht ruhig und angstfrei sprechen? 

Markus Gabriel:

"Nun, die allermeisten. Die Lage ist eben eine, in der Sachgründe, die eine wichtige Rolle spielen können aus pluraler interdisziplinärer Perspektive, ersetzt wurden durch ein fiktives Konstrukt namens 'Die Wissenschaft'. Das heißt, eine nicht existierende Entität namens 'Die Wissenschaft' wird seit etwa einem Jahr zitiert, um die größten Grundrechtseinschränkungen, die die Bundesrepublik Deutschland je erlebt hat, zu rechtfertigen. Und das ist das Gegenteil einer Reflektion oder Spiegelung dessen, was an Universitäten eben die Wissenschaften im Plural sind, und das ist das Problem, das wir monieren."

Aber Sie wissen, daß Angsmache ja auch ein Argument der Querdenker ist?

Markus Gabriel:

"Also die sogenannten Querdenker, ja, sagen manchmal auch wahre Dinge. (...) Eine heute grassierende Verschwörungstheorie lautet, daß die Exekutive eine globale Pandemie lösen kann. Das ist im Sinne Poppers eine Verschwörungstheorie, weil sie annimmt, daß die Komplexität einer Gesellschaft von einer Spitze aus, und zwar ohne unbeabsichtigte Konsequenzen gesteuert werden kann. Das nennt Karl Popper eine Verschwörungstheorie. Der Glaube daran, daß die Bundeskanzlerin zusammen mit 16 MinisterpräsidentInnen eine Pandemie lösen kann, ist eine Form der Verschwörungstheorie. Diese Form des soziologischen Aberglaubens gilt es insgesamt zu sprengen und an die Stelle durch Partizipation aller Bürgerinnen und Bürger Wege, Auswege aus der Pandemie zu finden."

(...) 

Markus Gabriel:

"Die Frage ist ja: Wollen wir in einem demokratischen Rechtsstaat leben oder sind wir bereit, autoritäre Maßnahmen auf dem Niveau von China oder Russland durchzuführen."

Sehen Sie denn die Gefahr dazu?

Markus Gabriel:

"Natürlich! - Der Gedanke eines Reiseverbotes, des Verbots von Urlaubsreisen, ist eine autoritäre Maßnahme, Ausreiseverbot aus Deutschland, wie wir sie kennen aus autoritären Systemen; also aus meiner Sicht völlig inakzeptabel, unter jeglichen Umständen."

https://www.rbb-online.de/rbbkultur/radio/programm/schema/sendungen/der_tag/archiv/20210325_1930/kultur_aktuell_1945.html

Wer also glaubt, "daß die Bundeskanzlerin zusammen mit 16 MinisterpräsidentInnen eine Pandemie lösen kann" hängt einer "Form der Verschwörungstheorie" an. - Dem Untertanengeist derjenigen, welche sich als Regierungssprecher in dieser Pandemie generieren, wird das nicht behagen. Diese Form von Realismus wäre dort, wo man sich das Querdenken per Nutzungsbestimmung verbittet, nicht möglich. Markus Gabriel würde mit seinem Realismus in Sachen Corona-Pandemie gegen solche Nutzungsbestimmungen verstoßen. Denn "Verschwörungstheorie" nennt er exakt das, was für den linksliberalen Untertanengeist nicht verhandelbar ist: die Eierlikör-Runde von Bundeskanzlerin und MinisterpräsidentInnen. - So mag man es Komik nennen, daß einerseits der "Neue Realismus" hofiert wird, derweil sein Protagorist andererseits als "Querdenker" ein Sinnfeld bedient, das gegen die Nutzungsbestimmungen verstößt. - Der Moralismus frißt seine Kinder. - 

 

 

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